Haus des Kindes, Aalen

Interview: „Haus des Kindes, Laupheim“ – Beschwingt und multifunktional

Mitte März haben Aldinger Architekten das Baugesuch für den Neubau „Haus des Kindes“ in Laupheim eingereicht. Prof. Jörg Aldinger präsentierte beim Bauausschuss in Laupheim die bisherige Planung und erläuterte seinen Entwurf. Hier stellen die Architekt/innen Eileen Lehnhoff und Stefan Glück von Aldinger Architekten, die das Projekt nach Jörg Aldingers Entwurfsidee weiterentwickelten, das Bauvorhaben im Interview vor:

Aldinger Architekten haben das Baugesuch zum „Haus des Kindes“ eingereicht. Was beinhaltet das Projekt?
Glück: Der Neubau „Haus des Kindes“ wird nach Abriss der ehemaligen Landwirtschaftsschule auf dem Schulgelände entlang der Bronner Straße in Laupheim errichtet und erweitert das Gebäudeensemble aus bestehender Grundschule und Sporthalle. Bislang war die Grundschule zweizügig organisiert und soll nun mit drei zusätzlichen Klassenzimmern im Neubau zur dreizügigen Grundschule ausgebaut werden. Außerdem finden vier Kita-Gruppen im „Haus des Kindes“ Platz. Zwei Gruppen für Kinder unter und zwei Gruppen für Kinder über drei Jahren. Das Gebäude präsentiert sich zur Straßenseite hin zweigeschossig, zum tiefer liegenden Schulhof hin dreigeschossig, wobei die Ebene 0 nicht als Vollgeschoss gilt, weil sich große Teile Richtung Osten im Erdreich befinden.

Auch die Neugestaltung der Außenanlagen war von Anfang an Teil der Planungen. Hier haben wir mit dem Büro Planstatt Senner aus Überlingen zusammengearbeitet. Im Freien gibt es separate Spielbereiche für die Kinder unter und über drei Jahre. Auch der Schulhof zwischen Neubau und Bestands-Grundschule wird neu gestaltet. Entlang der Bronner Straße ist Lärmschutz notwendig, der in Form einer „bewegten“, nicht linear verlaufenden, 70 Meter langen Wand realisiert wird. In Nischen und an den inneren Wandflächen sollen Bewegungs- und Spielangebote integriert werden.

Wie und warum haben Sie die polygonale Gebäudeform entwickelt?
Lehnhoff: Die Gebäudeform folgt zum einen der Topografie auf dem Grundstück und dessen dreieckigem Zuschnitt sowie Vorgaben des Bebauungsplans bezüglich der überbaubaren Flächen auf dem Grundstück. Gestalterisch wollten wir uns vom Bestandsgebäude aus den 1990er Jahren abgrenzen, städtebaulich aber dennoch Raumbezüge aufnehmen und auf dem Gelände mithilfe des Baukörpers differenzierte Aufenthalts- und Spielzonen schaffen. Darum haben wir ihn in Längsrichtung entlang der Bronner Straße so platziert dass sowohl zur Straße als auch zu den Nachbargebäuden hin ausreichend Freifläche bleibt. Die Form des Gebäudekörpers entwickelten wir aus den Gebäude- und Dachachsen der Bestandsschule heraus und erhielten so anstelle eines streng rechtwinklig gehaltenen Gebäuderiegels einen „bewegten“ Grundriss, der trotz seiner Größe eine übersichtliche Gliederung aufweist und maßstäblich wie organisatorisch den Kindern Orientierung bietet.
Der Bebauungsplan sah zudem ein geneigtes Dach vor – doch auf einen Baukörper mit polygonalem Grundriss ein geneigtes Dach zu setzen ist schwierig. Folglich haben wir eine gefaltete „Dachform“ entlang dieser Achsen entwickelt – mit Dachneigungen zwischen 3 und 15 Prozent. Der Rhythmus des Grundrisses setzt sich so ablesbar im Dach fort. Durch die leicht schrägen Traufkanten erhält das Gebäude eine Beschwingtheit, die uns gefällt.

Welche Funktionen forderte das Raumprogramm und wie haben sie diese im Gebäude integriert?
Lehnhoff: Der Neubau ist für etwa 70 Kita-Kinder (U3 und Ü3-Jahre) und die Kinder von drei Grundschulklassen konzipiert. Am Nachmittag werden bis zu 70 Schüler beim Mittagessen und der Hausaufgabenzeit im Gebäude betreut.
Das bedeutet im Detail: Vier Gruppenräume plus Neben- und Sanitärräume für die Kitakinder, sowie drei Klassenzimmer plus Nebenräume, Technische Werkstatt, Personalräume, Lehrerzimmer, Sanitärbereiche für den Grundschulbereich plus die gemeinsam genutzten Zonen.
Das gesamte Raumprogramm haben wir auf drei Ebenen (0, 1 und 2) mit einer Bruttogeschossfläche von rund 2.450 Quadratmeter in einem Gebäude integriert – nicht nur aus wirtschaftlichen sondern vor allem aus organisatorischen Gründen. Ausgabeküche, Essensbereich, Foyerflächen, Bücherei und Mehrzweckraum befinden sich im gemeinsam genutzten „Zentrum“ und sind damit auch getrennt vom Schul- und Kitabetrieb für Veranstaltungen nutzbar.

Glück: Im Fokus stand immer, dass sich Kindertagesstätte und Grundschule in ihrem täglichen Ablauf nicht gegenseitig stören – räumlich, wie akustisch. Darum haben wir separate Erschließungen für Schule und Kita vorgesehen: Während die Kindergartenkinder über den Eingang Richtung Bronner Straße auf Ebene 1 von den Eltern gebracht werden, nutzen die Grundschulkinder den Eingang auf Ebene 0 vom Schulhof aus. Die Eingänge auf Ebene 0 und 1 führen in eine mittig angeordnete Gebäudezone, die wie eine Art Gelenk den südlichen Gebäudeflügel für die Kita-Kinder und dem nördlichen Kopfteil für die Grundschule verbindet. Durch diese Pufferzone erreichen wir auch im Gebäudeinnern eine praktische Trennung der beiden Nutzungen, ohne jedoch die Bereiche zu sehr voneinander abzukoppeln. Glastrennwände ermöglichen von diesem Zentrum aus Einblicke in beide Gebäudeflügel und geben weite Sichtachsen frei.
Alle Gruppenräume der Kindergartenkinder orientieren sich Richtung Osten zur Bronner Straße hin – sowohl die Bereiche der Kinder Ü3 auf Ebene 1 als auch die der Kinder unter 3 Jahren, deren Gruppen- und auch Schlafräume sich auf Ebene 2 befinden.
Barrierefreiheit im gesamten Haus ist über die Aufzugsanlage gegeben.

Was war ihnen bei der Grundrissorganisation besonders wichtig?
Lehnhoff: Die ungestörte, parallele Organisation von Schule und Kita im täglichen Betrieb bei gleichzeitiger Überschneidung von gemeinsam genutzten Flächen sowie Flexibilität und Multifunktionalität zu erreichen, war erstes Ziel. Im Sinne einer späteren Umnutzung des Grundrisses – falls, wie vermutet wird, die Schülerzahl einmal die Anzahl der Kindergartenkinder überschreitet – haben wir die inneren Raumtrennwände in Leichtbauweise als Trockenbauwände vorgesehen. Bezüglich der Größenverhältnisse sind wir so vorgegangen, dass ein Kita-Gruppenraum plus Nebenraum in etwa der Größe eines Klassenzimmers entspricht, auch haben der Bewegungsraum und die Hausaufgabenbetreuung jeweils die Größe eines Klassenraums. Damit erreichen wir auch hinsichtlich späterer baulicher Veränderungen größte Flexibilität.
Wenn irgend möglich haben Räume eine mehrfache Funktion. So sind die Garderobenbereiche und Zugangsflure zu den Gruppenräumen gleichzeitig Spielflure und Foyerflächen, Bewegungsraum und Mensa stehen auch außerschulisch zur Verfügung.

Wie ist das Gebäude konstruiert? Welche Materialien wollen Sie einsetzen?
Lehnhoff: Das Gebäude wird aus Stahlbeton errichtet und erhält eine hinterlüftete Holzfassade aus Weißtanne mit vertikal angebrachten Latten. Auch die Dachkonstruktion ist aus Stahlbeton, der Dachaufbau entspricht einem Flachdachaufbau mit leichten Neigungen und extensiver Begrünung, ringsum verläuft eine Attika. Alle Innenwände bis auf den Aufzugskern und notwendige tragende Wandscheiben und Stützen werden als Trockenbauwände realisiert. Das Treppenhaus wird mit einer Holzbrettschalung in Sichtbetonqualität erstellt. Als Bodenbelag ist im gesamten Gebäude Industrieparkett vorgesehen. Was die Farbigkeit anbelangt, stellen wir uns eine helle, unaufdringliche, freundlich neutrale Welt in Weiß vor, in der die farbigen „Kunstwerke“ der Kinder ihre Wirkung entfalten können. Garderoben- und Schrankeinbauten in hellem Holz sowie Holzelemente mit gestalteter Oberkante als Schutzbekleidung für die Wände sorgen für natürliche Komponenten im Innenraum. Türen sind entweder reine Holztüren, wo immer möglich mit Glaseinsatz, oder aber Stahl-Glastüren um eine möglichst große Transparenz innerhalb des Gebäudes und der einzelnen Zonen zu ermöglichen. Die Fenster sollen als Aluminium-Holz-Fenster hergestellt werden und damit eine gewisse Qualität, Wertigkeit und auch Nachhaltigkeit transportieren.

Glück: Das Gebäude soll neben den Bestandsbauten auf dem Gelände als eigenständiger, monolithischer Solitär wahrgenommen werden. Wir haben es daher so gestaltet, dass alles „wie aus einem Guss“ erscheint und betonen die Außenhaut als umgebende Hülle. So werden innerhalb der kubischen Form mit der einheitlich durchgehenden Verkleidung aus vertikalen Holzlatten nur die wichtigsten Öffnungen als Einschnitte betont, wie die Eingänge und die Loggia von der aus die Kinder auf Ebene 2 in den Garten gelangen. Bei untergeordneten Räumen lassen wir die Lattung über die Fenster laufen, statt eines Dachüberstandes wird eine Attika ausgebaut.

Gibt es Besonderheiten des Energiekonzepts?
Glück: Das Gebäude wird zunächst an die Nahwärmeleitung und Stromversorgung der Bestandsbauten angeschlossen. Langfristig ist der Bau eines BHKW auf dem gegenüber liegenden Krankenhausgelände geplant. Um den sommerlichen Wärmeschutz zu gewährleisten wird im Gebäude selbst eine aufwendige Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung installiert. Sie versorgt neben Küche, Mensa und Sanitärbereichen alle großen, gemeinsamen Aufenthaltsräume sowie alle Klassen- und Gruppenräume. Außenliegende Raffstoren – auch auf der Nordseite des Gebäudes – übernehmen die Verschattung.

Zusammenfassend: Was ist für Sie das Wichtigste beim Bauen für Kinder?
Glück: Zeitlosigkeit und Nachhaltigkeit. Bezüglich der Formensprache wie der eingesetzten Materialien. Qualität und eine gewisse Robustheit ist wichtig. Es muss ein Bauwerk sein, das auch mal eine Macke verträgt. Wir bevorzugen natürliche, einladende Materialien, die eine angenehme Raumatmosphäre herstellen, in der sich die Kinder wohlfühlen. Mit der Holzfassade und dem Gründach fügt sich das Gebäude sehr gut in die Garten- und Spiellandschaft ringsum ein. Im Innern kann die Raumanordnung von den Kindern gut erfasst werden, transparente Flächen bieten Orientierung.

Wie sieht die Zeitplanung beim „Haus des Kindes“ aus?
Lehnhoff: Der Zeitrahmen ist recht eng gesteckt. Am 17.3. haben wir die Baueingabe eingereicht. Derzeit wird der Altbau der Landwirtschaftsschule rückgebaut. Ausschreibung und Bauleitung wird das Büro Penzel GmbH aus Nürtingen übernehmen. Die ersten Gewerke sind bereits ausgeschrieben. Am 14. Juni soll Baubeginn sein und den Startschuss für die Bauarbeiten geben. Zusammen mit der FIDES Projekt GmbH aus Ulm, die das Projektmanagement übernimmt, streben wir eine Fertigstellung Ende 2018 an.

Das Interview führte Iris Darstein-Ebner