Tübingen, 2016
Realisierungswettbewerb Westspitze Güterbahnhof
Aldinger Architekten sind mit ihrem Entwurf beim Wettbewerb um die Bebauung Westspitze auf dem Areal des ehemaligen Tübinger Güterbahnhofs als eines von zwei Gewinnerbüros hervorgegangen. Bis zur endgültigen Entscheidung im Oktober teilen sie sich diesen Sieg mit Ackermann + Raff, Stuttgart / Tübingen.
Seit Jahren schon wird der ehemalige Tübinger Güterbahnhof nicht mehr für den Güterverkehr genutzt. Die rund 85.000 m² große Brachfläche ist eines der wichtigsten innerstädtischen Entwicklungsgebiete. In enger Abstimmung mit der Stadt arbeiten die Grundstückseigentümer, die Aurelis Real Estate GmbH & Co. KG, Eschborn, und die Wilma Wohnen Süd GmbH, Stuttgart, an einer Neuordnung der Fläche. Nach Maßgaben des so genannten Tübinger Modells soll hier ein neues lebendiges Stadtquartier entstehen, das dem Leitbild Tübingens als „Stadt der kurzen Wege“ folgt und mit einem breiten Spektrum an Wohnformen, Arbeitsnutzungen und öffentlichen Einrichtungen aufwartet. Blockrandstrukturen sollen durch Kleinparzellierung aufgelöst und durch unterschiedliche Eigentümer – und Nutzungskonstellationen differenziert werden.
Der Entwurf der Westspitze von Aldinger Architekten zeichnet sich – so die Jury – durch seinen sensiblen Umgang mit der städtebaulichen Situation am Übergang von der Innenstadt in das neue Quartier am Güterbahnhof aus. Dabei hat das Bauprojekt, das Büro- und Wohngebäude in Mischnutzung vorsieht, sehr ambivalente Herausforderungen zu meistern: Zum einen soll Städtebauarchitektur mit hoher Qualität im öffentlichen Raum wirksam sein, zum anderen steht die Bebauung unter dem Diktat einer optimierten Wirtschaftlichkeit.
Aldinger Architekten lösen diesen Zwiespalt über die differenzierte Gestaltung der äußeren und inneren Raumkanten und Fassaden nach dem „Apfel-Prinzip“: Während die Bauwerks-„Schale“ durch farblich angeglichene Ziegel- und Putzfassaden gestalterisch hochwertig ausgeführt wird und damit höhere Erträge in Vermietung und Verkauf erwarten lässt, ermöglichen die rationalen, nutzungsorientierten Grundrisse mit ihren den Innenhöfen – also dem Kern– zugewandten einfachen Fassaden und Balkonkonstruktionen den Bewohnern individuellen Freiraum.
Der Baukörper wird dabei nicht in Form eines übergroßen Monolithen angelegt, sondern gliedert sich in drei Teile mit zwischenliegenden Fugen. Diese angedeuteten Baukörper werden durch unterschiedliche Materialität und unterschiedliche Fügungsprinzipien differenziert, jedoch über eine gleichartige Farbgestaltung optisch wieder zusammengebunden.
Wichtig ist dabei der Verlauf an Urbanität zur Individualisierung von West nach Ost: Der westliche Verwaltungsbau wirkt in den Stadtraum bis hin zum Blauen Turm und hat eine urbane, sachliche Ausstrahlung durch seine Fügungsprinzipien. Nach Osten lösen sich die Fassaden zunehmend auf und gewinnen den Ausdruck von Lochfassaden, die dem Wohnungsbau zugeschrieben werden können und in das Wohngebiet der Eisenbahnstraße überleiten.
Beide Siegerbüros wurden von den Auslobern zur Überarbeitung ihrer Wettbewerbsbeiträge für die Westspitze eingeladen. Die endgültige Entscheidung darüber, wessen Entwurf letztendlich realisiert werden wird, will die Jury im Oktober treffen.